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#Wahrheittutweh #Notlügen

#Wahrheittutweh #Notlügen

Hand aufs Herz. Wer von euch hat noch nie gelogen? Ich gebe es offen und ehrlich zu. Ich habe schon gelogen. Uhhhhhh, hört sich irgendwie böse an. Na ja, meine Mutter hat früher immer gesagt, eine Notlüge wäre gestattet. Wann genau spricht man von einer Notlüge? Wenn mich jemand fragt, ob ich heute Abend Lust und Zeit auf ein Treffen habe und ich dies verneine mit der Ausrede, ich hätte schon was vor. Ist das dann eine Notlüge? Ich muss gestehen, je älter ich werde, desto weniger Notlügen benötige ich. Wenn ich auf irgendwas aktuell keine Lust habe, dann sag ich es, anstatt mir Ausreden einfallen zu lassen. Es lebt sich leichter, wenn man nicht ständig darüber nachdenken muss, welche Notlüge man bei wem benutzt hat.

Was mich immer genervt und angestrengt hat, die Forderung von meiner Mutter, niemanden zu erzählen, dass mein Bruder an AIDS gestorben ist. Besser gesagt, er hatte dem Leiden ein Ende gesetzt. Meine Mutter hat tatsächlich von mir verlangt, allen zu erzählen, er sein an Krebs gestorben. Aus Scham. Mein Bruder war homosexuell und das in einer Zeit, wo vielen der irrsinnige Paragraf 175 noch bekannt war bzw. dieser sogar noch in unseren Gesetzbüchern stand. Erst am 11.06.1994 wurde dieser endlich abgeschafft. Ich habe die Krankheit und auch die Sexualität meines Bruders nie verleugnet. Ich hatte gar keinen Grund dazu. Er war der beste Bruder der Welt für mich und wenn er glücklich war, war ich es auch. Ich kann mich noch gut an sein Outing erinnern. Mir hat er es zuerst erzählt, weil er meine Unterstützung wollte, bevor er es meiner Mutter erzählte. Wir saßen bei mir auf der Couch und er wurde auf einmal sehr ernst. Wir haben uns nicht so oft gesehen, da mein Bruder schon lange in Berlin wohnte. 450 Kilometer von unserem Heimatort entfernt. Somit mussten wir uns immer erst mal lange austauschen und erzählen, was wir so erlabt hatten, wenn es mal wieder zu einem Treffen kam. Er sagte, er müsste mir was ganz Wichtiges sagen. Ich habe ihn erwartungsvoll angesehen und gewartet, bis er fortfuhr. Es fiel ihm sichtlich schwer, weiterzureden. Doch dann nahm er allen Mut zusammen und sagte, er sei schwul. Ich sah ihn an und sagte: „Und weiter?“ Seine Augen wurden größer und der Blick erstaunter. Nichts weiter. Das war’s gewesen. Zugegeben, bei seinem Anblick musste ich erst einmal laut lachen. Ich habe ihn in den Arm genommen und gesagt, dass mir das scheißegal ist und ich ihn so liebe, wie er ist. Er war sichtlich erleichtert. Uns beiden war klar, dass der nächste Schritt nicht so leicht wird. Wie erwartet wurde es auch nicht leicht. Meine Mutter ist schier wahnsinnig geworden und wollte meinen Bruder zu einem Arzt schicken. Es hat lange gedauert. Irgendwann hat auch sie verstanden, dass so wie es ist, alles gut ist. Zumindest wenn wir in Berlin waren. In der alten Heimat wurde dieses Thema ihrerseits weiterhin totgeschwiegen. Von mir wurde das Totschweigen verlangt, aber ich war ja schon immer das ungehorsame Kinde. Das schwarze Schaf der Familie. Was Außergewöhnliches also, oder? Schwarze Schafe sind doch selten, also müssen sie besonders sein. Das nehme ich jetzt für mich mal als Kompliment.

Ich bin besonders, weil ich ungern lüge!

Mein Bruder hat übrigens seinen Leidensweg aufgeschrieben und sein Wunsch war es, diesen auch zu veröffentlichen. Das hat leider zu seinen Lebzeiten nicht geklappt. Ich überlege, ob ich hier mal ein paar Seiten einstelle um eventuell auch daran zu erinnern, dass es diese Scheiß Krankheit immer noch gibt. Würde mich über eine Rückmeldung von dem ein anderen hierzu freuen.

Und nur zur Info. Ich lese jeden Kommentar auf meinem Blog. Habe aber aktuell nicht die Möglichkeit, einen Kommentar auch zu kommentieren. Dieses Feature ist noch nicht aktiviert.

In diesem Sinne wünsche ich euch jetzt schon mal ein schönes Wochenende. Bleibt gesund und denkt dran…“Wer lügt, hat die Wahrheit immerhin gedacht.“ O.Hassenkamp

 

Eure Mona-chie

 

By the way...  "Jeder Tag ist ein Geschenk" ist der von meinem Bruder gewählte Buchtitel.

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